An der Lesung aus seinem Buch „Und was hat das mit mir zu tun?“ präsentierte Sacha Batthyany eindrucksvoll die Ausgangsfrage seiner Recherche: Wie prägen die Verbrechen und Traumata früherer Generationen das Leben ihrer Nachkommen? Er las aus seinem Roman vor, der die Entdeckung eines Massakers im Umfeld seiner Familie schildert und die daraus entstehenden moralischen und emotionalen Konflikte reflektiert. Im anschliessenden Gespräch zeigte sich Batthyany offen und zugänglich. Er sprach über Herausforderungen der historischen Aufarbeitung und die Bedeutung von Erinnerungskultur. Die Zuhörer stellten Fragen zu Verantwortung, Schuld und dem Umgang mit familiären Geheimnissen. Batthyany betonte, dass sein Buch weniger Antworten geben wolle, sondern vielmehr dazu anregen solle, sich der eigenen Vergangenheit zu stellen. Die Veranstaltung hinterliess beim Publikum einen nachdenklichen Eindruck und machte deutlich, wie aktuell die Auseinandersetzung mit familiärer und gesellschaftlicher Geschichte ist.
Die Veranstaltung mit Melinda Nadj Abonji war geprägt von aufmerksamen, neugierigen Lernenden und einer Autorin, die mit grosser Präzision und Sensibilität auf jede Frage einging. Ausgehend vom in der Ausschreibung angelegten Begriff der «Krise» – verstanden als Moment der Entscheidung und Wendung – diskutierten wir, ob erzählerische Kraft notwendigerweise Drama braucht oder ob gerade das Ausbleiben des Dramatischen Spannung erzeugt. Gemeinsam erkundeten wir mit Melinda Nadj Abonji, was ein Drama im literarischen Sinn überhaupt ausmacht. Anhand ausgewählter Textbeispiele näherten wir uns der These, dass jedes Drama an eine Entscheidung gebunden ist – und dass auch die Weigerung oder Unfähigkeit, sich zu entscheiden, eine ebenso dramatische Dynamik entfalten kann. Diese Fragen vertieften wir in einer lebendigen, offenen Begegnung mit der Autorin des preisgekrönten Romans “Tauben fliegen auf”.
In der Veranstaltung mit dem irakisch-schweizerischen Autor Usama Al Shahmani kamen neben einem Auszug aus dem Roman „Der Vogel zweifelt nicht am Ort, zu dem er fliegt“ auch die Handlungen aus „In der Tiefe des Tigris schläft ein Lied“ und „Im Fallen lernt die Feder fliegen“ zur Sprache. Die Themen der Flucht, des Fremdseins und der Suche nach Heimat sind in allen Werken zentral. In einer Fragerunde danach sprach Al Shahmani auch über autobiografische Erfahrungen in seinem schweizerischen Exil und er streifte die Rolle der arabischen Sprache in seinem Schreiben. So öffnete die Veranstaltung einen (sensiblen) Raum für Fragen nach Herkunft, Erinnerung und Neuanfang.
Wenn Schillers „Kabale und Liebe“ als Textvorlage für ein Gespräch in einer Hotelküche herhalten muss, wenn das Baby einfach nicht wachsen will und dann plötzlich eine Lehre absolviert, dann sind Lacher im Publikum garantiert und es ist klar, dass eine begnadete Improtheater-Gruppe im Haus ist. Nach einem Einblick in ihre spontanen Schauspielkünste boten drei Mitglieder der Gruppe „Anundpfirsich“ in je einer Klasse einen Workshop an, bei dem die Lernenden und Lehrpersonen selbst aktiv werden durften. Dabei haben wir fürs Leben gelernt, indem wir freudvolles Scheitern und eine positive, offene Haltung Neuem gegenüber einübten.
Bedrückender war hingegen die Atmosphäre beim Klassenzimmerstück „Das Tagebuch der Anne Frank“ des Theaters Kanton Zürich (TKZ). Inhaltlich stand die Frage im Zentrum, welch ein Drama sich auftut, wenn eine 13-jährige Jüdin in Amsterdam mit ihrer Familie untertauchen muss, um der Deportation in ein Konzentrationslager zu entgehen. Für die Lernenden war es eindrücklich, wie sich eine Schauspielerin in verschiedene Rollen einlebte und etwa 45 Minuten alleine vor der Klasse performte. Im anschliessenden Gespräch mit der Theaterpädagogin des TKZ konnten sich die Klassen über die Kunstform Theater dem eindrücklichen Schicksal der Anne Frank, aber auch der Funktionsweise des Theaters annähern.
Die Vorführung des Films Casting (2017) von Nicolas Wackerbarth im Zürcher Filmpodium bildete einen eindrucksvollen Höhepunkt unseres Programms. Der Film wirkte aufwühlend und liess viele Fragen offen – umso wertvoller war die anschliessende Gelegenheit, das Gesehene in einer spielerischen und zugleich nachdenklichen Nachbereitung gemeinsam zu besprechen.
Dass das Filmpodium seine Tore exklusiv für unsere Gruppe öffnete, verlieh dem Anlass eine besondere Atmosphäre. Das traditionsreiche Haus, eine architektonische wie programmatische Perle der Zürcher Kinolandschaft, wurde von der aktuellen Leiterin Nicole Reinhardt sorgfältig für uns vorbereitet. Mit ihrer sicheren Hand für Filme jenseits des Mainstreams überzeugte sie auch diesmal: Casting passte hervorragend zum diesjährigen Thema der Literaturwochen. Insgesamt war es ein intensiver und bereichernder Vormittag, der Film und Gespräch auf inspirierende Weise miteinander verband.
Die Schreibwerkstatt vom 4. und 11. November bot den Teilnehmenden unter der Leitung von Nicole Sotzek einen inspirierenden Raum, um neue Zugänge zu Schreibfluss, Spannung und erzählerischer Gestaltung zu entdecken. In einer konzentrierten, zugleich offenen Atmosphäre entstanden vielfältige Texte – von kurzen Skizzen bis zu ersten Entwürfen grösserer Erzählungen. Die Rückmeldungen waren durchgehend positiv. Eine Teilnehmerin betonte, wie viel sie selbst aus einem einzigen Kurstag «mitnehmen und lernen» konnte und wie «spannend» sie die Auseinandersetzung mit den Schreibanlässen empfand. Ein anderer Teilnehmer beschrieb den Kurs als «wirklich mega» und bedauerte einzig, dass er nicht länger dauerte, da er gerne noch tiefer eingetaucht wäre. Trotz der kompakten Zeitspanne zeigte sich klar: Die Mischung aus praktischen Übungen, anregendem Austausch und echter Neugier hat die Teilnehmenden nachhaltig motiviert. Die Schreibwerkstatt hat damit ihr Ziel erreicht – Lust aufs Schreiben zu wecken, neue Techniken erfahrbar zu machen und Raum für kreatives Arbeiten zu öffnen.